Reinhard Marx, ein Kirchenvertreter, den das Volk versteht (und der das Volk versteht). So muss Kirche im Jahr 2016.
Ortstermin, Pullach im Isartal, 24. Juni 2016, fünf Minuten vor 10 Uhr. Der örtliche Pfarrer und die rund 80 Firmlinge sind aufgeregt. Heute hat sich hoher Besuch angesagt. Der Erzbischof von München und Freising, Reinhard Kardinal Marx, kommt um den örtlichen Gottesdienst zum Heiligen Sakrament der Firmung zu feiern.
Mit dem üblichen Insignien der bischöflichen Würde, also Bischofstab und Mitra zieht Reinhard Marx in die übervolle Pullacher Kirche ein. Aber schon nach wenigen Minuten wird klar: dieser Kirchenvertreter ist anders. Er ist kein abgehobener Kirchenfürst oder Funktionär, er ist ein Mann aus dem Volk. Er spricht mit leicht westfälischem Akzent, mit klarer und kräftiger Stimme. Er redet direkt mit den Jugendlichen, spricht sie in Ihrer Sprache an und verbindet geschickt weltliches Leben eines jungen Menschen mit seiner christlichen Botschaft. Dabei lässt er aktuelle Themen wie Fußball Europameisterschaft, Kapitalismus und Flüchtlingskrise nicht aus. Er ist begeistert von seiner Botschaft und seine Worte finden Gehör bei den Heranwachsenden und ihren Eltern.
Die ersten Lacher hat er auf seiner Seite, als er von Beziehungen und der Liebe spricht und freimütig sagt: „Wie Sie ja wissen, bin ich nicht verheiratet.“ Und dann gibt der den Firmlingen eine einfache Regel für alle Beziehungen mit auf den Weg: „Denkt an die drei wichtigsten Worte in einer Beziehung: Bitte, Danke und Entschuldigung!“
Auch das Thema Flüchtlinge und Migranten wird angesprochen, er selbst sei, wie viele andere in das herrliche Bayern gekommen und hier bestens aufgenommen und integriert worden. Bayern ist das beste Beispiel dafür, wie erfolgreich und bereichernd Integration laufen kann. Jeder solle überlegen, wie er bei diesem wichtigen Thema mithelfen kann.
Er spricht über das Wunder des Lebens. Darüber, dass es toll sei, dass Väter heute bei der Geburt ihrer Kinder dabei sein dürfen und dass es auch nicht peinlich ist, sich an die Zeugung der eigenen Kinder mit Freude und Dankbarkeit zu erinnern. Und er bietet immer wieder lebensnah eigene Erfahrungen:
„Als ich noch ein Kind war, war es nicht denkbar, dass ein Vater bei der Geburt seiner Kinder dabei war. Ich erinnere mich noch gut an den Tag, als meine kleine Schwester geboren wurde. Da drückten mein Vater, mein Bruder und ich uns in der Klinik die Nasen platt an einer Scheibe, nur um aus der Distanz einen kurzen Blick auf meine neugeborene Schwester zu werfen. Heute können die Väter das Wunder der Geburt direkt miterleben.“
So können Eltern heute noch besser teilhaben an Gottes Wunder. Denn Kinder sind nicht das Produkt ihrer Eltern, sondern die Eltern dürfen beim Wunder Gottes mithelfen.
Und so ist seine Botschaft an diesem Tag ziemlich klar und wird von den Jungen und Mädchen zwischen 13 und 15 Jahren auch gut verstanden: in jeder Beziehung gilt es, den anderen zu schätzen und zu lieben und man sollte immer wieder mal daran denken „ich liebe Dich“ zu sagen.
Nach dem Gottesdienst mischt sich der Kardinal, dann ohne Mitra und Stab, unter die anwesenden Eltern, Verwandten und Firmlinge. Unterhält sich mit den Jugendlichen und macht sogar Fotos mit Ihnen.
„Klar, dann machen wir ein Selfie!“, ist seine Reaktion auf die Frage nach einem gemeinsamen Foto. Kardinal Marx zeigt: Kirche kann ganz nah und nahbar sein. Von diesem Kardinal werden wir wohl noch einiges hören.
P.S. Apropos Kommunikation: Vielleicht überlegt sich das Erzbistum München-Freising ja einmal, ob es nicht doch einen Twitter-Account einrichtet. Andere Bistümer in Deutschland sind da schon etwas weiter.